Was tut so ein schwarzes Schaf? Es ist einfach anders ...

Meister Eckehart – Aufforderung zum furchtlosen Bekenntnis (Oktober 2015)

Thema: Judas, der Verräter

Judas, der Verräter … wer kennt diesen Begleiter von Jesus nicht? Allerdings war ich oft nachdenklich, wenn ich vom Verrat des Judas hörte: Wenn unser Bruder, Jesus der Christus, alles sah und die Menschen und ihre Bedürfnisse erkannte, warum erkannte er dann die Falschheit von Judas nicht? Wie konnte es sein, dass Judas so lange – sozusagen unerkannt – in einer Gemeinschaft neben bzw. mit Jesus leben konnte, ohne dass dies bemerkt wurde? Wenn Jesus wusste, dass er ausgeliefert werden würde, konnte es dann sein, dass sich Jesus von Judas diesen Freundschaftsdienst erbat?

So höre zu. Dein, unser Bruder, den ihr Jesus den Christus nennt, war ein Mann des öffentlichen Interesses – wie ihr heutzutage sagen würdet. Wo er auftauchte, sammelten sich die Menschen. So stelle dir einmal vor, du würdest in einem Dorf oder in einer kleinen Stadt auftauchen. Und du bist bereits über die Ländergrenzen hinaus bekannt. Wo würdest du dich verstecken, samt deinen Gefährten? Wo würdest du Brot besorgen, wo würdest du Wein besorgen?

Also, für unseren Bruder war es gar nicht mehr möglich, sich irgendwo zu verstecken. Alle wussten immer, wo er gerade war. So, und jetzt überlege weiter. Welchen Sinn hätte es gehabt, 30 Silberlinge für etwas auszugeben, für eine Information, die jeder auf der Straße wusste?

Es war kein Verrat und dass sich jenes Wesen erhängte, stimmt auch nicht. Viel mehr stimmt es, dass dieses Wesen lehrte, als eines von den 12. Ihr habt so einen Ausdruck dafür in euren Familienkreisen, ihr nennt dann so ein Mitglied ein schwarzes Schaf. Was tut so ein schwarzes Schaf? Es ist einfach anders. Also, der Verrat hat nie stattgefunden, weil er sowieso nicht möglich gewesen wäre. Und hätte man deinen, unseren Bruder heute nicht gefunden, dann hätte man ihn morgen gefunden. Die Pharisäer wussten es, die Römer wussten es, die Menschen wussten es.

Der wahre Verrat, der tatsächlich stattgefunden hat, war das Volk, der sogenannte Pöbel, als es vor die Wahl gestellt wurde, entweder den einen oder den anderen gehen zu lassen. Die Anhörung hat stattgefunden und auch die Worte, dass an diesem Menschen nichts Falsches festzustellen sei. Die Pharisäer wiegelten das Volk auf, machten Versprechungen und dann kam die Abstimmung. Das war der Verrat.

Also war Judas nicht der Verräter, sondern der Verratene ….